Forderungsanmeldung in Polen – wenn Ihr Schuldner Insolvenz erklärt hat
Wenn Ihr polnischer Schuldner Insolvenz erklärt hat, müssen Sie vor allem schnell handeln. Jeder Tag zählt – Verzögerungen können leichter als bei anderen Verfahrensarten zu Verlusten führen. Sie sollten auch einige Besonderheiten beachten, die es im Vergleich zum deutschen Insolvenzverfahren gibt.
Insolvenz in Polen
Ein Gläubiger kann die Forderungen entweder einzeln oder im Ganzen vollstrecken.
Die Einzelvollstreckung erfolgt erst, wenn der Gläubiger einen Vollstreckungstitel erworben hat. In solchen Fällen kann sich derjenige, der zuerst vollstreckt hat, auch als erster befriedigen. Bei einem Unternehmen, dessen finanzielle Lage schlecht ist, bedeutet dies oft, dass die Gläubiger, die als Erste gehandelt haben, sich zu 100% befriedigt haben, während diejenigen, die erst später die Forderung geltend gemacht haben, oft nur einen Bruchteil des Unternehmensvermögens erhalten.
Um solche Situationen zu vermeiden, wurde das Konzept der Gesamtvollstreckung eingeführt.
Die Gesamtvollstreckung steht nur den Schuldnern offen, deren finanzielle Lage besonders schlecht ist, d.h. Schuldner, die bereits zahlungsunfähig sind.
Der Zweck der Gesamtvollstreckung besteht darin, dass das Vermögen des Unternehmens zur Insolvenzmasse wird, die später verwertet werden kann. Jeder Gläubiger soll anteilig und gleichmäßig befriedigt werden, allerdings gibt es Ausnahmen sowohl für besonders privilegierte Kategorien von Gläubigern (z.B. Forderungen aus Arbeitsverhältnissen, Unterhaltspflichten, Entschädigungen bei Delikten), als auch für benachteiligte Kategorien (z.B. Darlehen von Gesellschaftern des insolventen Unternehmens an das Unternehmen).
Der Kern des polnischen Insolvenzverfahrens ist der gleiche wie in Deutschland. Mehr über den Ablauf des Insolvenzverfahrens können Sie hier lesen. Dieser Artikel behandelt nur die Problematik der Forderungsanmeldung.
Wie erfahre ich, dass mein polnischer Schuldner insolvent ist?
Es gibt hauptsächlich zwei Möglichkeiten, wie Sie über das Insolvenzverfahren des Schuldners benachrichtigt werden können:
- Benachrichtigung durch den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren.
- Benachrichtigung durch amtliche Bekanntmachung im System “Krajowy Rejestr Zadłużonych” (nachfolgend: Nationales Schuldnerverzeichnis).
Wenn Sie von dem Insolvenzverwalter benachrichtigt worden sind
Wenn der Insolvenzverwalter Sie bereits kontaktiert hat, ist das ein gutes Zeichen. Das bedeutet, dass der Schuldner Ihre Forderung nicht verheimlicht hat und der Insolvenzverwalter sie selbst entdeckt hat.
Im internationalen Kontext spielt die Benachrichtigung der ausländischen Insolvenzgläubiger eine noch größere Rolle. In diesem Fall ist der polnische Insolvenzverwalter verpflichtet, Sie nicht nur mithilfe eines europäischen Standardformulars (“Mitteilung über ein Insolvenzverfahren“) darüber zu informieren, dass Ihr Schuldner insolvent ist, sondern auch einen Vermerk zu übersenden. In dem Vermerk informiert der Insolvenzverwalter Sie insbesondere über:
- Fristen, die einzuhalten sind,
- Versäumnisfolgen,
- die Stelle, die für die Entgegennahme der Anmeldungen zuständig ist,
- weitere vorgeschriebene Maßnahmen.
Das Standardformular trägt die Überschrift in sämtlichen Amtssprachen der Europäischen Union und ist in jeder Sprachversion gleich strukturiert. Die erste Seite sieht wie folgt aus:
Wenn Ihr Schuldner in Polen insolvent ist, erhalten Sie das Standardformular auf der polnischen Sprache. Sie können den Inhalt jedoch einfach verstehen, indem Sie die polnische Version, die Sie erhalten haben, mit der deutschen Version vergleichen (die deutsche Version ist auf der Webseite der Europäischen Kommission erhältlich: e-justice.europa.eu). So erfüllen die Standardformulare den Zweck, den internationalen Wirtschaftsverkehr zu vereinfachen.
In der Regel müssen Sie Ihre Forderung anmelden, weil sie nicht automatisch in die Insolvenztabelle aufgenommen wird. Dem Vermerk des polnischen Insolvenzverwalters sollte eine Kopie des Standardformulars für die Anmeldung von Forderungen beigefügt sein. Alternativ kann der Insolvenzverwalter auch angeben, wo dieses Formular erhältlich ist.
Es gibt jedoch drei Ausnahmen von der Regel, dass die Forderung angemeldet sein muss.
1. Ihre Forderungen sind dinglich gesichert
Dazu zählen Forderungen, die durch eine Hypothek, ein Pfandrecht, ein Registerpfandrecht, ein Steuerpfandrecht, eine Schiffshypothek oder einen anderen Eintrag im Grundbuch oder im Schiffsregister gesichert sind.
2. Ihre Forderungen sind aus dem Arbeitsverhältnis entstanden
Wenn Sie als Unternehmer tätig sind, ist diese Ausnahme für Sie nicht relevant. Solche Forderungen verringern Ihre Befriedigungsquote lediglich indirekt.
3. Forderungen aus dem Fonds für garantierte Arbeitnehmerleistungen
Wenn der Arbeitgeber die Löhne nicht gezahlt hat, kann unter bestimmten Umständen ein staatlicher Fonds einspringen – der Fonds für garantierte Arbeitnehmerleistungen (poln. Fundusz Gwarantowanych Świadczeń Pracowniczych). Die Forderungen aus dem Fonds werden von Amts wegen berücksichtigt.
Um eine Forderung anzumelden, können Sie eines der Standardformulare der Europäischen Kommission benutzen. Der Insolvenzverwalter fügt entweder eine Kopie zu dem Schreiben bei oder weist darauf hin, wo die Formulare erhältlich sind.
Die Standardmitteilungsformulare sind in der Durchführungsverordnung 2017/1105 zu finden.
Die Forderungsanmeldung erfolgt durch das folgende Standardformular:
https://e-justice.europa.eu/fileDownload.do?id=f6ba0399-0d57-4b68-9f53-269a2d7436cc
Allerdings müssen Sie beachten, dass seit dem 1. Dezember 2021 das Nationale Schuldnerverzeichnis (Krajowy Rejestr Zadłużonych) eingeführt wurde. Seit diesem Datum müssen die Forderungen ausschließlich elektronisch angemeldet werden (mit Ausnahme von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen und einigen anderen Fällen). Das Schuldnerverzeichnis ist allerdings nur auf Polnisch verfügbar und eine entsprechende Authentifizierung ist erforderlich.
Es lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten, ob die Forderungsanmeldung immer noch ausschließlich durch das Standardformular erfolgen kann.
Einerseits gelten die Vorschriften der Verordnung 848/2015, die es ermöglichen, das Standardformular zu benutzen. Andererseits wurde die Richtlinie 1023/2019 verabschiedet, die elektronische Forderungsanmeldungen vorsieht (Art. 28 Richtlinie 1023/2019, die erst ab dem 17.07.2024 umgesetzt werden muss). Nationale Vorschriften verlangen elektronische Anmeldungen und die Situation von ausländischen Gläubigern ist nicht separat geregelt. Gleichzeitig erschwert das Nationale Verzeichnis ausländischen Gläubigern deutlich die Forderungsanmeldung.
Um sicherzugehen, dass Ihre Forderungsanmeldung anerkannt wird, sollten Sie den Anweisungen des Insolvenzverwalters folgen, die Sie in der Mitteilung über das Insolvenzverfahren erhalten haben. Falls Sie nicht ordnungsgemäß informiert wurden, sollten Sie sich von einem professionellen Berater helfen lassen und die Forderung elektronisch anmelden.
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Sie sollten das Insolvenzverfahren nicht ignorieren. Es ist ratsam, nicht nur die Forderung anzumelden, sondern auch die Zinsen korrekt zu berechnen, Beweise beizufügen und zu prüfen, ob die Forderung korrekt berechnet und vom Schuldner erfasst wurde. Es wird auch empfohlen, das Verfahren später zu überwachen, um sicherzustellen, dass es rechtskonform durchgeführt wird und dass Ihre Interessen gut geschützt sind.
Wenn Sie erst nach der Bekanntmachung über die Insolvenz des Schuldners Kenntnis erlangt haben…
…dann ist der Fall deutlich komplizierter und Sie müssen noch schneller handeln, um Ihre Rechte zu schützen. Insolvenzbekanntmachungen werden in Polen online im Nationalen Schuldnerverzeichnis veröffentlicht. Wenn Sie vom Insolvenzverwalter nicht informiert wurden, bedeutet dies, dass der insolvente Schuldner Ihre Forderung verheimlicht hat und es keine Aufzeichnungen gibt, dass Sie ein Insolvenzgläubiger sind.
Wenn Sie die Forderung später als 30 Tage nach der Bekanntmachung anmelden möchten, müssen Sie mit zusätzlichen Kosten rechnen. Die Zusatzgebühr beträgt 15% des Durchschnittsgehalts (aktuell etwa 200 EUR). Sie müssen sich jedoch beeilen, weil die Anmeldung der Forderung zu spät erfolgen kann, was zu einer deutlichen Reduzierung oder vollständigen Ausschluss der Chancen auf Befriedigung führt.
Als polnischer Doradca restrukturyzacyjny (Insolvenz- und Sanierungsberater) bin ich berechtigt, in Ihrem Namen die Forderung anzumelden. Darüber hinaus verfüge ich über ein Konto im Nationalen Schuldnerverzeichnis und kann die Forderung in Ihrem Namen unverzüglich anmelden, auch vor Ort in München.